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    Praxisgemeinschaften beziehungsweise Gemeinschaften, die sich als solche bezeichnen, sind häufig. Trotz der in der Berufsordnung und Zulassungsverordnung vorgesehenen Anzeigepflicht gibt es jedoch keine verlässlich erhobenen Zahlen. Stichprobenhafte Befragungen zeigen, dass weder die Ärztekammern noch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Einhaltung dieser Pflicht ernst nehmen oder gar sanktionieren. Entgegen ihrer Beliebtheit birgt die Praxisgemeinschaft – oder das, was sich hinter dieser Bezeichnung vielfach verbirgt – eine Reihe von Risiken, die ernst genommen werden sollten. Dies gilt insbesondere für die „Schein-Praxisgemeinschaft“, also die Praxisgemeinschaft, die entgegen ihrer Bezeichnung wie eine Berufsausübungsgemeinschaft (meist Gemeinschaftspraxis) geführt wird.

    In der vertragsärztlichen Versorgung behandeln Mitglieder einer (sogenannten) Praxisgemeinschaft in einem Quartal häufig identische Patienten. Dabei werden auch Leistungen abgerechnet, die bei Verbleib bei einem Behandler nicht abrechenbar gewesen wären. In der hausärztlichen Versorgung ist dies schon wegen der besonderen Beratungspflicht beim beabsichtigten Arztwechsel problematisch. Derartige Sachverhalte haben die Sozialgerichte über lange Zeit hinweg befasst. Dabei wurden Quoten identischer Patienten von bis zu 85 Prozent bekannt. Im Ergebnis hat das Bundessozialgericht die Praxis vieler KVen bestätigt, die Abrechnungen der beteiligten – in „Praxisgemeinschaft“ verbundenen – Ärzte in der Weise sachlich-rechnerisch zu berichtigen, dass nur das Honorar verbleibt, das bei Abrechnung als Berufsausübungsgemeinschaft verdient worden wäre.

    Das Haftungsrisiko

    Ein hoher Anteil identischer Patienten ist dementsprechend Aufgreifkriterium im Rahmen der Plausibilitätsprüfung. Bei fachgebietsidentischen Praxen werden bis zu 20 Prozent, bei gebietsverschiedenen Praxisgemeinschaften bis zu 30 Prozent toleriert. Jenseits dieser Grenzen wird Implausibilität vermutet. Diesem indiziellen Verdacht hat die KV durch weitere Prüfungen nachzugehen. Im Ergebnis eines solchen Prozesses kann es aufgrund sachlich-rechnerischer Berichtigung zu erheblichen Honorarkürzungen oder -rückforderungen kommen. Im Wiederholungsfall drohen zudem disziplinarrechtliche Maßnahmen.

    Praxisgemeinschaften ist es seit 2004 gestattet, als solche nach außen hin in Erscheinung zu treten. Diese Änderung der (Muster-)Berufsordnung ist schwer nachzuvollziehen, wenn man den Grundsatz ernst nimmt, dass die Praxisgemeinschaft die ärztliche Berufsausübung nicht tangieren soll. In jedem Fall muss vor einem leichtfertigen Umgang mit dieser neuen Freiheit gewarnt werden. Es besteht nämlich das Risiko der Haftung aufgrund Rechtsscheins, wenn für die Patientenschaft nicht hinreichend deutlich wird, dass es sich um getrennte Praxen handelt. Ist dies nicht der Fall, so kommt der Behandlungsvertrag mit der Schein-Berufsausübungsgemeinschaft zustande. Insbesondere für ärztliche Kunstfehler haften dann alle Ärzte im Außenverhältnis auch mit ihrem Privatvermögen unbeschränkt – und zwar unabhängig von einer Beteiligung am Behandlungsgeschehen. Die Eintrittspflicht der eigenen Berufshaftpflichtversicherung in einem solchen Fall kann zweifelhaft sein, da sie grundsätzlich nur die Verantwortlichkeit aufgrund eigenen Handelns erfasst. Darüber hinaus kann es zu Deckungslücken aufgrund der Unterschiedlichkeit des Versicherungsschutzes kommen.

    Welche Anforderungen an die Unterscheidbarkeit des Erscheinungsbilds der in Praxisgemeinschaft verbundenen Praxen zu erfüllen sind, ist nicht abschließend geklärt. Den Rechtsschein einer gemeinsamen Berufsausübung erweckt es zweifelsfrei, wenn die Namen der beteiligten Ärzte kommentarlos untereinander oder nebeneinander gereiht sind. Ob der Begriff „Praxisgemeinschaft“ für das angesprochene Publikum hinreichend verständlich ist, also die Verschiedenheit der Praxen in ausreichendem Maße deutlich macht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Aus Gründen der Vorsicht ist zu empfehlen, die Darstellung der Praxen gestalterisch und textlich so deutlich wie möglich voneinander abzusetzen.

    Sogenannte Praxisgemeinschaften führen oftmals einheitliche Patientendokumentationen. Jeder der beteiligten Ärzte kann ohne Zugangshindernis auf die gesamten Patientendaten zugreifen. Dies kann – wenn der jeweilige Patient nicht eingewilligt hat – den Straftatbestand des Geheimnisverrats erfüllen. Verstärkt wird dieses Element der Vermischung der Praxen durch einheitliche Telekommunikationsnummern. Die ordnungsgemäße Organisation einer Praxisgemeinschaft zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, dass ihre Mitglieder über Telefon, Fax und E-Mail gesondert und exklusiv zu erreichen sind und die Patientendokumentationen getrennt und wechselseitig zugangs- geschützt geführt werden. Strafrechtliche Verurteilungen sind in dieser Hinsicht zwar nicht bekannt, die gesetzliche Pflicht, die auch selbstverständliche Berufspflicht ist, bleibt.

    Deutlich ernster zu nehmen ist das strafrechtliche Risiko, das darin liegt, eine vertragsärztliche Praxisgemeinschaft wie eine Berufsausübungsgemeinschaft zu führen. Das Landgericht Kreuznach hat kürzlich zwei Ärzte verurteilt, die zu mehr als 80 Prozent identische Patienten behandelten und so insbesondere das Volumen der abgerechneten Ordinationsgebühr verdoppelten. Mit der KV hatte man sich auf die Rückzahlung eines hohen sechsstelligen Betrags verständigt. Das Landgericht Kreuznach verurteilte die beiden Ärzte wegen gemeinschaftlichen, gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten.

    Das steuerliche Risiko

    Beschafft die Praxisgemeinschaft die gemeinsam zu nutzenden Ressourcen zentral von Dritten und legt die damit verbundenen Kosten um, gibt es regelmäßig keine steuerlichen Probleme. Steuerliche Risiken können aber dann entstehen, wenn ein Mitglied oder einzelne Mitglieder die Ressourcen der Praxisgemeinschaft explizit oder indirekt entgeltlich überlassen und dies keine gesellschaftsrechtliche Grundlage hat („gegen Kostenerstattung“). Hiermit wird in aller Regel ein Leistungsaustausch begründet, der mangels Steuerbefreiung verpflichtet, aus dem Entgelt die Umsatzsteuer abzuführen.

    Neben dieser Beschaffungsstufe ist die Verwendungsstufe, also die Überlassung der gemeinschaftlichen Ressourcen an die einzelnen Mitglieder der Praxisgemeinschaft im Rahmen der Patientenversorgung zu betrachten. Dieser Leistungsaustausch ist steuerbefreit, wenn er unmittelbar für die Vornahme von Heilbehandlungen genutzt wird. Das Jahressteuergesetz 2009 setzt weiter voraus, dass die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich „die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten“ fordern darf. Fließen darüber hinausgehende Zahlungen, wird auch hier die gesetzliche Umsatzsteuer mit derzeit 19 Prozent fällig. Pauschale Kostenerstattungsregelungen und Konstruktionen des Einnahmen- beziehungsweise Gewinnpoolings werden damit außerordentlich problematisch. Gesellschaftsverträge solcher „unechter“ Praxisgemeinschaften bedürfen dringend der Überprüfung.

    Eine „Praxisgemeinschaft“ nach Art einer Berufsausübungsgemeinschaft zu führen, begründet erhebliche Risiken für den Fall der Trennung. Regelmäßig kommt es hierbei zu Auseinandersetzungen – meist über den Verbleib und die Aufteilung der ungetrennt geführten Patientendokumentation, die einen wesentlichen Teil des immateriellen Werts einer Praxis verkörpert. Immer wieder zeigt sich hierbei, dass EDV-gestützte Dokumentationen nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu trennen sind; häufig kann diese Arbeit wegen der Konfliktsituation überhaupt nicht durchgeführt werden. Nicht selten hilft nur die Duplizierung des Datenbestands, was den Verstoß gegen die ärztliche Verschwiegenheitspflicht nochmals sinnfällig betont.

    Eine Praxisgemeinschaft planmäßig wie eine Berufsausübungsgemeinschaft zu führen, ist also mit gravierenden Risiken verbunden. Von einer solchen Praxis muss dringend abgeraten werden. Auch der nachlässige Umgang mit dem Gebot der Trennung der Praxen in Außendarstellung, Außenkommunikation und Patientendokumentation kann zu unangenehmen Überraschungen führen. Wird hingegen die Praxisgemeinschaft auf die rationelle und effektive Nutzung räumlicher, sächlicher und personeller Ressourcen beschränkt, stellt sie eine sinnvolle – oftmals alternativlose – Kooperationsform dar.

    Quelle: Beitrag aus 2009 von Dr. Robert Schäfer und Dr. Reiner Schäfer-Gölz im ÄrzteBlatt

    Risiken der Praxisgemeinschaft
    Carsten OehlmannRechtsanwalt
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    Thomas HansenRechtsanwalt
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    Andrea KahleRechtsanwältin